Die Militärdiktatur Garmonas in Portugal wandte in den letzten 6 Jahren die willkürlichsten und brutalsten Methoden an, um die Massen in Unterwerfung zu halten und die wachsende Radikalisierung der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Die RH Organisation mußte demgegenüber viel Kräfte und Mühe anwenden. um der Offensive Widerstand zu leisten und sich einen eigenen Weg zu bahnen.

Obwohl 1925 organisiert, hatte die RH Portugals doch zur weiteren Ausdehnung sehr wenig Zeit, denn Garmona hatte einen gut vorbereiteten Staatsstreich durchgeführt. Sofort war die Militärdiktatur eingesetzt, Kriegsgerichte organisiert und spezielle Gesetze erlassen worden, die die Streiks verboten. Alle Kampforganisationen der Arbeiter wurden in die Illegalität gejagt, die revolutionäre Presse beschlagnahmt und die Gefängnisse mit revolutionären Arbeitern überfüllt. deren Mehrheit später in die schrecklichen Strafkolonien Madeira, Azoren-Inseln, Timor und andere portugiesische Kolonien in Afrika deportiert wurden. Was die Lebensbedingungen in diesen Strafkolonien betrifft. so zitieren wir hier einige Stellen aus einem Brief. den ein auf die Insel Timor verbannter Arbeiter an die RH Portugals sandte: "...Unser braver und guter Genosse X. wurde in das furchtbare Gefängnis Batugade, das mehr unter dem Namen "Der Friedhof der Lebendigen " bekannt ist, geschickt. Diese Verschickung erfolgte sofort nach Beschlagnahme seines Briefes, in dem er die Banditenaktionen der Militärbehörden gegen die Deportierten schilderte. Viele andere Genossen wurden aus dem gleichen Grund in dieses Gefängnis Batugade geschickt. Sie wurden alle mit dreimonatigem Aufenthalt in diesem Kerker bestraft. Der Weg nach Batugade dauert normalerweise 5 Tage und kann unter guten Bedingungen zu Pferd zurückgelegt werden. Die Gefangenen aber müssen zu Fuß gehen, was 7 Tage dauert. Während dieser Zeit sind sie der brutalsten Mißhandlung seitens ihrer bewaffneten Wächter ausgesetzt. Die Kost im Gefängnis Batugade besteht aus gekochten Körnern. Wasser wird von einer Quelle gebracht, in welcher man oft verendete Tiere findet.

Hier in Timor ist die Lage nicht besser. Als Antwort auf unseren letzten Protest wurden wir auf 24 Stunden in den Kerker geworfen. Wir haben nicht das Recht, Arbeiterzeitungen zu erhalten, und unsere Korrespondenz unterliegt einer scharfen Zensur. Im Laufe meines 20monatigen Aufenthaltes hier sind 5 Genossen gestorben, 2 wahnsinnig geworden, 9 nach Batugade transportiert und alle anderen, darunter auch ich, sind lungenkrank. 6 Genossen befinden sich sogar im letzten Stadium dieser Krankheit."
Nach den ersten 2 bis 3 Jahren der Diktatur Garmonas, während welchen die gesamte Arbeiterbewegung geknebelt war, kamen die wachsende Unzufriedenheit und die Radikalisierung der Massen aufs neue zum Ausdruck. In den Jahren 1927 und 1928 brachen im ganzen Lande sporadische Streiks und Massenprotestaktionen gegen den Polizeiterror aus. Zu diesen Aktionen müssen auch die Aufstände in den portugiesischen Kolonien gerechnet werden, deren Ausläufer sich im April d.J. auf der Insel Madeira zeigten, und die sich auf die Azoren Inseln, ja sogar auf die äußerste südöstliche portugiesische Kolonie Mozambique ausdehnten. Die brutale wirtschaftliche Ausbeutung und die politische Knebelung der kolonialen Eingeborenenvölker durch die portugiesische Regierung einerseits und die Unzufriedenheit und Rebellion aller Feinde der Diktatur andererseits waren die Ursachen, die den Aufstand im April hervorgerufen haben. Die Resultate sind sehr gut bekannt. Sofort wurden Truppen und Kriegsschiffe geschickt und sogar Macdonalds "Arbeiterregierung" kam großmütig zu Hilfe, indem sie Garmona ein britisches Kriegsschiff für die Unterdrückung des Aufstandes zur Verfügung stellte.
Im Jahre 1928 wurde die Tätigkeit der RH Portugals aufs neue belebt. Die Zentralleitung wurde gestärkt, eine systematische Werbetätigkeit begonnen. Beiträge wurden gesammelt und die Hilfeleistung für die Opfer der Klassenkämpfe wuchs unaufhörlich. Die Sektion ist aber noch keine Massenorganisation, obzwar, was die Mitgliedschaft und die Hilfeleistung betrifft, diese beiden Arbeitsgebiete in den letzten 2 bis 3 Jahren einen ständigen Aufstieg zeigen.
Jetzt zählt die portugiesische Sektion in ihren Reihen 1.500 Einzel und 1.700 Kollektivmitglieder. Sie hat Maßnahmen zur Wendung auf die Betriebe getroffen und als Erfolg sehen wir bereits 31 Betriebsgruppen mit einer Gesamtzahl von 499 Mitgliedern. Während alle Mitglieder 1929 in Lissabon konzentriert waren, schlägt die Organisation schon 1930 und 1931 ihre Wurzeln in der Provinz und den Agrargebieten und sogar auch in den portugiesischen Kolonien. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit denn illegalen Charakter ihrer Tätigkeit verbunden sind, gibt die RH Portugals eine eigene Zeitschrift in einer Auflage von 5.000 Exemplaren heraus. Andererseits hat die portugiesische Sektion einen großen Fehler begangen, indem sie keine offene Massenaktion und keinen offenen Kampf gegen die Verbrechen der Kriegsgerichte und gegen den Polizeiterror in Portugal und seinen Kolonien geführt hat. Sie begrenzte ihre Tätigkeit auf die Werbung von Mitgliedern, Sammlung von Beiträgen und Spenden, Hilfeleistung für die Politgefangenen und ihre Angehörigen. Das herausgegebene Propagandamaterial wird nur im geheimen verbreitet. Die Organisation ist zu passiv in die Illegalität eingetreten, sie hat keine Schritte unternommen, um ihr wirkliches Gesicht zu zeigen, und hat es auch unterlassen, die Verbrechen des weißen Terrors und der bürgerlichen Klassenjustiz, die Methoden der faschistischen Diktatur vor den breiten Massen offen und konkret zu entlarven.
Diese Fehler haben der Organisation viel geschadet, und sie sind auch der Grund, daß sie heute noch nicht den Charakter einer revolutionären Kampforganisation trägt, die die vor jeder Sektion der IRH stehenden Aufgaben zu erfüllen bereit ist.

Die Exekutive der IRH hat die Fehler und Mängel der RH Portugals betont und folgende Aufgaben zu deren Beseitigung gestellt:
Mobilisierung der gesamten Mitgliedschaft und der sympathisierenden Massen zur Durchführung von öffentlichen Kampagnen und Massenaktionen zum Protest gegen den weißen Terror und die Klassenjustiz in Portugal und seinen Kolonien. Die Aktionen müssen ihren Ausdruck in Straßendemonstrationen, öffentlichen Kundgebungen, Veröffentlichung von Statistiken über den weißen Terror und in breitester Veröffentlichung der Verbrechen der faschistischen Regierung in Portugal und in den Kolonien finden.
Die RH Portugals soll auch eine ideologische Erziehungskampagne unter ihren Mitgliedern durchfuhren, wobei in allen Komitees und Gruppen Konferenzen und Besprechungen über die IRH, mit Aufklärung über ihre Ziele und Aufgaben stattfinden müssen. Die Komitees und Gruppen sollen durch Veranstaltungen regelmäßiger Mitgliederversammlungen mit Diskussionen über alle diese Fragen und breiter Selbstkritik der Arbeit der gesamten Organisation organisatorisch belebt werden.

Inbezug auf die portugiesischen Kolonien hat die Exekutive der IRH folgende Aufgaben gestellt:

a) die Verbindungen mit den Kolonien durch Ausnützung
der Mitglieder und der Sympathisierenden in den Kolonien zu verbessern und auszudehnen.
b) alle Druckmaterialien auch an die RH Mitglieder sind Sympathisierenden in den Kolonien zu senden;
c) Übernahme von Patenschaften durch RH Gruppen und durch Arbeiterorganisationen über Gruppen oder einzelne Genossen, die wegen ihrer revolutionären Tätigkeit in die Kolonien deportiert wurden;
d) Zusammenfassung der in den Kolonien vorhandenen RH Mitglieder in Gruppen und Heranziehung neuer Mitglieder zwecks Organisierung einer selbständigen Sektion der RH in jeder Kolonie (Madeira, Azoren Inseln, Timor, Mozambique, Angola, Makao) und der Verstärkung der RH-Arbeit in diesen Kolonien.

Im Zusammenhang mit der finanziellen Abhängigkeit Portugals von England muß die RH Portugals eine engere Verbindung mit der englischen Sektion der IRH herstellen. Sie muß die letztere über alle Fälle des weißen Terrors in Portugal und in seinen Kolonien, sowie über das Leben, die Unterdrückung und den Kampf der werktätigen Massen in diesen Kolonien informieren, einen Materialaustausch durchführen usw.
Das sind die unmittelbarsten Aufgaben der RH Portugals. und ihre Durchführung wird die Sektion in eine Massenkampforganisation umgestalten, die zur Verteidigung und zur Unterstützung der Opfer der Klassenkämpfe, als auch zum revolutionären Kampf gegen den Terror bereit und fähig ist.

Erschienen in MOPR, Berlin, Nummer 9/1931

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