aus: RHZ 01/2025

 

Vorstand des Hans-Litten-Archivs

In der Rubrik „Fundstück des Monats“ stellen wir Archivalien aus dem Bestand des Hans-Litten-Archivs vor, die bisher noch nicht auf unserer Homepage zu finden sind. 

Aus dem Nachlass von Rolf Heißler erhielten wir zwei Ausgaben des Knast Info Köln, einer meist vierseitigen Flugschrift, die von 1990 bis 1992 eher unregelmäßig erschien. Herausgegeben wurde sie von der Gefangeneninitiative Köln e. V. (GIK), die damit die damaligen Knastkämpfe solidarisch begleitete, die Haftbedingungen anprangerte und Solidaritätsaktionen dokumentierte.

Vermutlich wurde das Faltblatt – außer an Gefangene, die ein kostenloses Abonnement erhielten – vor allem im Handverkauf für 50 Pfennig verbreitet: Ende 1990 hatte das Knast Info Köln „erst 2 (!!) draußen-AbonnentInnen“, wie im Kopf der Ausgabe 4/90 vermerkt ist. Das „Schnippel-Layout“ und die schiefen Kopien verweisen auf die üblichen Herstellungsabläufe dieser schnell und in Kleinauflagen hergestellten Szenepublikationen.

Die Bibliothek der Freien schreibt über das Heft: „Entstanden ist das Info-Blatt im Zusammenhang mit der Dachbesetzung von zeitweise über hundert Gefangenen des Rheinbacher Gefängnisses im Oktober 1990 und durch die dadurch ausgelöste Solidarisierung von Außen.“ Diese Themenmischung prägt auch die Ausgabe 4/90, die vermutlich Anfang Dezember 1990 erschien, und spiegelt damit eine wichtige Facette der Antirepressions- und Solidaritätsbewegungen dieser Zeit wider.

Repression gegen Silvesterdemo am Knast

Die ersten beiden Seiten widmen sich einem Prozess in Münster wegen einer Solidaritätsaktion im Vorjahr: Am 31. Dezember 1989 hatten Autonome die Gefangenen der JVA Münster mit Parolen und Feuerwerk gegrüßt. Ein brutaler Polizeieinsatz beendete die Kundgebung, wobei ein Beamter die flüchtenden Demonstrant*innen sogar mit dem Ruf „Stehenbleiben oder ich schieße“ bedrohte. Über die Hetzjagd der Polizei schreiben die Autor*innen: „Uns alle hat diese Situation an Göttingen erinnert. Sechs Wochen zuvor war Conny Weßmann getötet worden. Sie wurde von Bullen vor ein Auto gejagt.“ (S. 2) Am 20. Dezember 1990 sollte die Verhandlung gegen einen der damals Festgenommenen stattfinden, zwei weitere waren als Zeug*innen geladen.

Gegen diese Kriminalisierung fand eine Solidaritätskampagne statt, um die Prozessbeobachtung zu planen, über die jüngsten Knastrevolten zu informieren und die kommende Silvesterkundgebung zu organisieren. Die Schwarz-Rote Hilfe Münster rief zu Spenden für die Gerichts- und Anwält*innenkosten auf.

Auf dem Dach der JVA

Die hinteren Seiten dokumentieren den „Bericht zur Rheinbacher Dachbesetzung“ eines beteiligten Gefangenen. Die mehrtägigen Proteste in der südlich von Bonn gelegenen JVA Rheinbach waren Teil der Knastkämpfe 1990, von denen die Revolten in „Santa Fu“ (Hamburg-Fuhlsbüttel) und in der JVA Straubing am bekanntesten sind.

In Rheinbach nahm die Dachbesetzung ihren Ausgangspunkt beim Hofgang am 2. Oktober 1990. Viele Gefangene dachten in der politisch dynamischen Situation über Proteste nach: „Wir unterhielten uns über die Wiedervereinigung und daß wir eigentlich etwas tun müßten, z.B. eine Demo für eine Amnestie und für eine Erleichterung der Haftbedingungen (...) – als plötzlich zwei Knackis auf dem Anstaltsdach zu sehen waren, dann 3, 4 und es wurden immer mehr.“ (S. 3)

Anfangs beteiligten sich 120 Gefangene an der Besetzung und verkündeten ihre Forderungen: neben einer Amnestie vor allem die Abschaffung der Isolationshaft, bessere medizinische Versorgung und Bezahlung nach Tarif. Die Aktivisten boten der Gefängnisverwaltung an, das Dach zu verlassen, wenn ihnen ein Gespräch mit dem Justizamt und der Presse zugesichert würde – eine Forderung, die umgehend abgelehnt wurde. Andere Häftlinge solidarisierten sich aus ihren Zellen mit den Dachbesetzern und versorgten sie mit Essen, Jacken und Decken. Nachdem die Gruppe in den Folgetagen stark geschrumpft war, wurden die verbliebenen Aktivisten am 5. Oktober von einem Polizeiaufgebot geräumt, auf verschiedene Gefängnisse verteilt und mit Arrest bestraft.

Mit dem Bericht greift das Heft das Ereignis auf, das das Knast Info Köln ins Leben rief und prägte – ebenso wie die Solidarität mit den kämpferischen Gefangenen, die die Antiknastbewegung dieser Zeit bestimmte. Die beiden Beiträge verbinden damit auch die Kämpfe drinnen und draußen und setzen damit das Hauptanliegen der GIK um.

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