Frauen in der illegalen Roten Hilfe Deutschlands

Am  27. Mai 2021 jährt sich der Todestages der Antifaschistin Frieda Seidlitz zum 85. mal. Frieda Seidlitz war in den 30ern eine wichtige Aktivistin der Rote Hilfe aus Berlin-Weißensee. Sie wurde einen Monat lang verhört und gefoltert und verriet keine:n ihrer Genoss:innen.

Anlässlich von Frieda Seidlitz’s Todestag am 27. Mai 2021 organisiert die Kampagne »Frauen imWiderstand« eine Gedenkdemonstration.
(16.30 Uhr, Antonplatz, Weißensee)

Silke Makowski vom Hans-Litten-Archiv  hat als Beitrag zum aktiven Gedenken an Frieda zwei Texten zur Geschichte der Roten Hilfe Deutschland verfasst. In ihrem Text »Frauen in der illegalen Roten Hilfe Deutschlands (RHD)« beschreibt sie die wichtige Rolle, die den Frauen innerhalb der Roten Hilfe inne hatten, gerade nach dem ein Großteil der linken Organisationen von den Nazis zerschlagen wurden oder deren Mitglieder abgetaucht waren. Sie beschreibt, wie auch ihr Text »Die Rote Hilfe Deutschlands im antifaschistischen Widerstand«, die politische Arbeit der RHD in der Illegalität. Zugleich würdigt ihr Beitrag die antifaschistische Widerstandstätigkeit von Frauen – allein schon durch deren Sichtbarmachung.
So teilt auch Frieda Seidlitz das Schicksal vieler Antifaschist:innen, denen nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus im Gegensatz zu (cis-) männlichen Widerstandskämpfern, nicht die selbe Würdigung und Bekanntheit zu Teil wurde. Frieda Seidlitz politische Arbeit ist eines von vielen Beispielen für die zahlreichen Rote Helferinnen, die ihren Beitrag zum Kampf gegen den Faschismus leisteten. Ihr Andenken zu ehren ist praktizierter Feminismus und gelebter Antifaschismus.

 


Frauen in der illegalen Roten Hilfe Deutschlands (RHD)
»Das Rote Frauenaktiv Nordost sammelte in der Märzkampagne 50.- Mark«

von Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)

Schon immer hatten sich viele Frauen in der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) engagiert, einer KPD-nahen Solidaritätsorganisation, die 1924 gegründet worden war. Den wohl wichtigsten Schwerpunkt bildete die materielle Unterstützung der politischen Gefangenen und ihrer oftmals verarmten Familien, doch mit der wachsenden staatlichen Repression wurden die juristische Beratung für Angeklagte und die Finanzierung von AnwältInnen immer wichtiger. Daneben setzte sich die RHD mit Kampagnen für Amnestien und gegen Gesetzesverschärfungen ein und informierte in ihren zahllosen Zeitungen und Broschüren über die Verfolgung von GenossInnen im In- und Ausland. Vor allem innerhalb der ArbeiterInnenbewegung erfreute sich die RHD großer Beliebtheit, aber auch Prominente wie Albert Einstein, Käthe Kollwitz oder Thomas Mann unterstützten die Aktivitäten der Roten Hilfe, die Ende 1932 fast eine Million Mitglieder umfasste.

Die Solidaritätsorganisation bemühte sich erfolgreich um das weibliche Umfeld: Mit geschlechtsspezifischen Publikationen, Frauenkundgebungen und dauerhaften Arbeitsfeldern wie dem Kampf gegen den § 218 erreichte die RHD viele Beitritte. Lag der Anteil weiblicher Mitglieder 1926 bei rund 19 Prozent, stieg er bis 1932 auf immerhin knapp 27 Prozent – weit mehr als in den Parteien und anderen Massenorganisationen –, und mit über 33 Prozent lag der Bezirk Berlin-Brandenburg deutlich über dem Durchschnitt. In allen Leitungen gab es Zuständige für die Frauenarbeit, und teilweise wurden eigenständige Rote-Hilfe-Frauengruppen gegründet.

Tatsächlich war die Mitwirkung in der RHD für politisch interessierte Proletarierinnen weit einfacher als in den Parteien, die im patriarchalen Umfeld weitgehend als Männerdomäne galten. In der Solidaritätsarbeit gab es zahlreiche Abläufe, die sich auch in den von Mehrfachbelastungen geprägten Alltag der Arbeiterinnen integrieren ließen: Die Sammlung von Sachspenden in benachbarten Geschäften, die Kassierung der Mitglieder im Wohnumfeld oder das Zusammenstellen von Päckchen für Gefangene waren leichter mit den vielfältigen Aufgaben von Haushalt, Kinderbetreuung und Lohnarbeit zu vereinbaren als abendliche Gremiensitzungen.

Obwohl also ihr Anteil und ihre Wahrnehmbarkeit in den RHD-Alltagsaktionen stetig stiegen und prominente Aktivistinnen wie Jelena Stassowa und Clara Zetkin an der Spitze der Organisation standen, waren Frauen in den Bezirksleitungen und im Zentralvorstand deutlich unterrepräsentiert. Meist hatten sie höchstens Basisfunktionen inne, etwa als Stadtteilkassiererin oder Ortsgruppenleiterin in kleineren Städten.

Dass die Roten Helferinnen in der Regel in der zweiten Reihe gestanden hatten, bekam im Frühjahr 1933 eine große Bedeutung. Nach der Machtübertragung an die Nazis setzten die Massenverhaftungen auch gegen die SolidaritätsaktivistInnen ein, und bereits im März wurde die RHD verboten. Da die Unterlagen der Politischen Polizei vor allem Angaben zu den bekannteren männlichen Mitgliedern enthielten und das Engagement von Frauen ohnehin unterschätzt wurde, wurden die meisten Genossinnen nur kurz oder überhaupt nicht in die KZs verschleppt. Nun war es an ihnen, die Unterstützung für die Verhafteten und ihre Familien zu organisieren und die Rote Hilfe in die Illegalität zu überführen. Denn gerade in dieser Situation war diese Arbeit nötiger denn je: Das Wissen um solidarische Strukturen im Hintergrund, die im schlimmsten Fall den Angehörigen zur Seite stehen würden, war für viele WiderstandskämpferInnen ausschlaggebend bei ihrer Entscheidung, die Gefahren des antifaschistischen Kampfes auf sich zu nehmen.

Allerdings musste die illegale RHD große Hürden meistern und wurde immer wieder durch massive Verhaftungswellen zurückgeworfen, die teils eingeschleusten Gestapospitzeln, teils der Unerfahrenheit der an die Legalität gewohnten AnhängerInnen geschuldet waren. Trotzdem gelang es, die Organisation im Untergrund wieder aufzubauen, und in vielen Regionen war noch eine größere Zahl an Ortsgruppen tätig, deren Arbeit von Bezirksleitungen koordiniert wurde. Die klandestine Kommunikation wurde durch KurierInnen und InstrukteurInnen sowie über Postdeckadressen aufrechterhalten.

Schon im Frühjahr 1933 stieg nicht nur der Anteil der Frauen in den verbliebenen Basisgruppen deutlich an, sondern auch in höheren Posten. Häufig übernahmen weibliche Angehörige umgehend die Leitungsaufgaben ihrer verhafteten Ehemänner, Brüder oder Väter, deren Tätigkeit sie zuvor durch unsichtbare Zuarbeit ermöglicht hatten und bestens kannten. Der RHD-Zentralvorstand machte bereits im April 1933 in einem Rundschreiben auf diese Tatsache aufmerksam: » Ganz besonders eignen sich (…) die Frauen für die Durchführung der Solidaritätsarbeit. In breitester Weise, entschlossen und unter rücksichtsloser Beseitigung aller auch noch in unseren Reihen vorhandenen Vorurteile müssen die Frauen zu den Funktionen für unsere gesamte Arbeit mit herangezogen werden. Viele Beweise liegen vor, dass die Frauen der verhafteten Antifaschisten sich demonstrativ bereit erklärten, die Funktionen ihrer Männer zu übernehmen« (SAPMO RY1/I4/4/29 Blatt 7).

Um die durch den NS-Terror entstandenen Lücken zu füllen, wurden sogar recht unerfahrene Aktivistinnen mit zentralen Aufgaben betraut: Die Leiterin der kleinen RHD-Ortsgruppe Viernheim, Maria Mandel, wurde mit dem Wiederaufbau des Bezirks Baden-Pfalz beauftragt, und Lore Wolf rückte Ende 1933 in die Bezirksleitung Hessen-Frankfurt auf, obwohl sie der Roten Hilfe erst im Frühsommer 1933 beigetreten war. Im direkten Umfeld des Berliner Zentralvorstands arbeitete 1933/34 Eva Lippold als Reichskurierin, obwohl sie vor dem Verbot nur passive Beitragszahlerin gewesen war, und ähnliche Beispiele finden sich fast überall.

Auch in den Exilstrukturen der Roten Hilfe spielten Frauen eine prominente Rolle, indem beispielsweise die geflüchteten Partnerinnen inhaftierter oder ermordeter Antifaschisten bei Versammlungen sprachen. Bekannt ist Cläre Muth, deren Mann Willi die Gestapo bei der Zerschlagung der illegalen Gewerkschaften in Wuppertal zu Tode gefoltert hatte und die in den Niederlanden die Proteste und Hilfsaktionen koordinierte. Ebenfalls als Rednerin, aber auch als Autorin engagierte sich Martha Berg-André, die nach dem Justizmord an ihrem Lebensgefährten 1936 die RHD-Broschüre »Etkar André, mein Mann und Kampfgefährte« verfasste.

Die früher prägenden Massenkampagnen waren in der Illegalität hingegen kaum noch möglich, und nur vereinzelt traten die Rote-Hilfe-Gruppen mit frauenspezifischen Flugblättern an potenzielle Unterstützerinnen heran. Allerdings produzierte der Zentralvorstand entsprechende Publikationen wie die beiden 1934 erschienenen Broschüren » Frauen unter faschistischem Terror! Frauen an der Solidaritäts- und Kampffront!« und » Mütter, kämpft für eure Kinder!«, die sich mit dem NS-Terror gegen Antifaschistinnen befassten und die Leserinnen zur Mitarbeit aufriefen.

War die RHD Berlin schon in der Weimarer Republik vorbildlich in der Werbung weiblicher Mitglieder gewesen, setzte sie diese Arbeit auch in der Illegalität fort. Als sich im September 1933 eine neue Bezirksleitung um Hans Seigewasser formierte, wurde mit Maria Lehmann aus Weißensee umgehend eine eigene Frauenleiterin eingesetzt, die zusammen mit Hilde Seigewasser und Erna Bartz große Erfolge verbuchen konnte. In einem Bericht über das erste Halbjahr 1934 beklagte der Zentralvorstand die mangelhafte Frauenarbeit in den meisten RHD-Bezirken und führte die Hauptstadt als positive Ausnahme an: » Berlin hat eine besondere Frauenzeitung herausgegeben, hat zwei Frauenaktivs geschaffen, von denen das eine ein sehr gutes Begrüssungsschreiben an den Mopr-Kongress absandte (). Das Rote Frauenaktiv Nordost sammelte in der Märzkampagne 50.- Mk. in bar und 1 Zentner Lebensmittel bei kleinen Geschäftsleuten und Angestellten« (SAPMO RY1/I4/4/27 Bl. 86f). Laut diesem Schreiben wurde die Zeitung vom RHD-Frauenaktiv Luxemburg in einer Auflage von rund 800 Stück hergestellt.

Innerhalb der Gesamtorganisation übernahmen weibliche Mitglieder häufig zentrale Aufgaben bei der Verwaltung und Druckschriftenproduktion, weil sie Erfahrungen im Schreibmaschineschreiben hatten. Zum Beispiel bildete Charlotte Gerbeit zusammen mit Max Treder den Kern des Technischen Apparats der RHD Berlin, der unter anderem die Zeitung » Informationsdienst« produzierte. Käte Kaufmann, die führend in der RHD Weißensee aktiv war, stellte die Matrizen für das Stadtteilblatt » Bruderhand« her.

Ein weiteres Aufgabenfeld bot sich für Rote Helferinnen in der Familienhilfe – sei es in der Betreuung der Frauen der politischen Gefangenen, mit denen sie die anfallenden Alltagsprobleme diskutierten und die sie moralisch stärkten, sei es in der praktischen Unterstützung für Männer, die nach der Verhaftung ihrer Ehefrauen mit Kinderbetreuung und Haushalt überfordert waren.

Gerade im sympathisierenden Umfeld erprobten Frauen spezielle Spendenaktionen, darunter sogar private Solidaritätsfeiern. Maria Lehmann erinnerte sich später an regelmäßige Einnahmen aus » Moabit, wo eine alte Genossin Kaffeenachmittage mit musikalischer Begleitung für Gäste organisierte und die dabei gesammelten Gelder an die Rote Hilfe abführte« (zit. n. Sandvoß, Widerstand in Prenzlauer Berg und Weißensee, Berlin 2000, S. 121).

Im Sommer 1934 erreichte die koordinierte Tätigkeit der Berliner RHD-Frauengruppen, die auch nichtkommunistische Aktivistinnen ansprachen, ihren Höhepunkt, und ein Brief des Zentralvorstands vermerkte im Herbst: »Interessant ist, dass die Frauenarbeit () Einheits- und Massencharakter hatte. Eine Reihe von SPD-Frauengruppen hatte sich der RH angeschlossen. Es wurde mit der Organisierung einer Delegation zum Frauen-Kongress begonnen« (SAPMO RY1/I4/4/27 Bl. 109), der vom 4. bis 6. August 1934 in Paris stattfand.

Jedoch setzte im September eine NS-Terrorwelle ein, die fast die gesamte Bezirksleitung traf und die RHD-Arbeit in Berlin weit zurückwarf. Auch Maria Lehmann wurde im Prozess gegen Max Lenk u. a. am 16. Februar 1935 angeklagt und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach ihrer Entlassung wurde sie als Jüdin immer offener angefeindet und floh im Mai 1939 nach England. Ihre Genossin Hilde Seigewasser blieb weiter im Widerstand tätig, bis sie im September 1943 verhaftet wurde; im Februar 1945 starb sie bei der Bombardierung des Zuchthauses Cottbus.

Dennoch arbeiteten viele Rote-Hilfe-Gruppen weiter, wobei den Frauen besondere Möglichkeiten offenstanden: Bei ihren Widerstandsaktionen konnten sie geschlechtsspezifische Handlungsmuster nutzen, die den faschistischen Repressionsorganen und denunziationswilligen NachbarInnen unverdächtig erschienen. Sie tarnten klandestine Treffen als Kaffeekränzchen oder als Tratsch auf dem Friedhof, und der Flugblatttransport im Kinderwagen oder Einkaufskorb war weit geringeren Risiken ausgesetzt als in den Koffern, die die männlichen Mitglieder benutzten. Viele Frauen waren deshalb als Kurierinnen oder in der Vernetzung tätig, weil sie die patriarchalen Geschlechterstereotype zu ihren Gunsten nutzen konnten und weit seltener in Kontrollen kamen.

Selbst wenn sie in die Fänge der Gestapo gerieten, stuften die Nazis sie oftmals als harmlose Mitläuferinnen ein, die unwissentlich instrumentalisiert worden waren, und setzten sie wieder auf freien Fuß. Entsprechend selten wurden die Ermittlungsverfahren gegen Rote Helferinnen zur Anklage gebracht, und bei Verurteilungen erhielten sie weit geringere Strafen als ihre Mitstreiter. Nicht selten wurde ihnen jegliches politisches Bewusstsein abgesprochen oder die Schuld ihren Ehemännern angelastet, vor allem wenn sie sich nur als Beitragszahlerinnen beteiligt hatten. Ein Beispiel dafür bilden die Prozesse gegen die RHD Prenzlauer Berg: Am 2. April 1937 befand der 4. Strafsenat des Berliner Kammergerichts im Verfahren gegen Gustav Schulze u. a. die zuständige RHD-Zellenkassiererin Frieda Hindemith für schuldig, von 1933 bis Januar 1936 fast durchgehend Beiträge unter anderem bei den Eheleuten Goldau kassiert zu haben. Hindemiths Beteuerung, von der Strafbarkeit ihrer Aktivitäten nichts gewusst zu haben, wurde jedoch angesichts ihrer jahrelangen RHD-Funktionärinnentätigkeit seit der Weimarer Republik kein Glaube geschenkt. Nur vier Tage später sprach das gleiche Gericht hingegen die von Hindemith kassierte Rote Helferin Marie Goldau im Prozess gegen Max Schlichting u. a. vom Vorwurf der Beitragszahlung frei, weil das Gericht ihrer Schilderung folgte, dass sie das Geld nur auf Befehl ihres Ehemanns hin aus der von ihm finanzierten Haushaltskasse ausgezahlt und somit keine eigenständige strafbare Handlung begangen habe. Indem bei Frauen die Prozesse oft mit Einstellungen oder sogar Freisprüchen endeten oder sie nach relativ kurzer Haftzeit freikamen, konnten sie auch nach Repressionswellen die Solidaritätsgruppen neu aufbauen.

Allerdings fielen auch viele weibliche RHD-Mitglieder dem brutalen NS-Terror zum Opfer, insbesondere Aktivistinnen, die durch ihre führende Beteiligung allzu offensichtlich gegen das Bild der » unpolitischen Frau« verstoßen hatten: So verhängte der berüchtigte Volksgerichtshof am 25. Juli 1935 neun Jahren Zuchthaus gegen die Reichskurierin Eva Lippold, und am 18. Juni 1941 verurteilte er Lore Wolf, die nach ihrer Mitarbeit in der Bezirksleitung Hessen-Frankfurt jahrelang im Exil für die RHD tätig gewesen war, sogar zu zwölf Jahren Zuchthaus.

In den Gestapoverhören wurden nicht wenige Rote Helferinnen brutal gefoltert, darunter Hilde Didzuhn, in deren Wohnung in Unter den Linden 16 im Frühjahr 1933 das illegale Büro des Zentralvorstands untergebracht war; sie starb 1937 an den Folgen der schweren Misshandlungen. Noch bekannter ist der Fall der RHD-Funktionärin Frieda Seidlitz aus Weißensee, der engsten Mitarbeiterin des Bezirksleiters Fritz Hödel, von der sich die Gestapo besondere Einblicke in den gesamten illegalen Apparat erhoffte. Als Verbindungsfrau zur Exilleitung der Roten Hilfe in Prag und in alle Berliner Stadtteile kannte sie zahllose Anlaufstellen und Kontaktpersonen; unter anderem verteilte sie die aus dem Ausland eingeschmuggelten RHD-Zeitungen und den » Informationsdienst« des Bezirksvorstands in sämtliche Viertel. Einen ganzen Monat lang hielt Seidlitz den bestialischen Torturen in den Verhören stand, bis sie schließlich am 27. Mai 1936 Selbstmord beging, um keine GenossInnen zu belasten. Über den Hergang resümierte die Gestapo am 10. Juni 1936: » Sie selbst verweigerte bald vier Wochen lang jede Aussage, leugnete selbst bei Gegenüberstellung mit Hödel jede Bekanntschaft und Arbeit mit ihm und machte auch keine Aussage über ihren letzten Aufenthalt. Nach dieser Zeit gelang es jedoch durch eine Überrumpelung, von der S. endlich ihr letztes Quartier zu erfahren. Dieses einzige Geständnis muss sie so niedergedrückt haben, dass sie 2 Tage später Selbstmord beging« (SAPMO R 58 2169 Bl. 220).

Der faschistische Terror hatte Mitte der 1930er Jahre die illegalen RHD-Strukturen im gesamten Reichsgebiet geschwächt, und viele Solidaritätsgruppen waren isoliert und beschränkten sich auf Spendensammlungen. Dennoch initiierte der Zentralvorstand 1937 eine letzte große Kampagne, die die Begnadigung der Stuttgarter Kommunistin Liselotte Herrmann forderte. Anlass war die Tatsache, dass sie als erstes weibliches Mitglied des antifaschistischen Widerstands zum Tod verurteilt worden und zudem alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes war. Mit internationalen Protesten, bei denen besonders Frauenorganisationen angesprochen wurden, sowie illegalen Flugblattverteilungen erzeugte die Rote Hilfe monatelang große Aufmerksamkeit, doch konnten die Aktionen nicht verhindern, dass Lilo Herrmann am 20. Juni 1938 in Plötzensee hingerichtet wurde.

Wenig später wurde die RHD offiziell aufgelöst, aber auch danach blieben viele Gruppen tätig, und bis zur Befreiung engagierten sich Frauen in der Solidaritätsarbeit. Zu den kontinuierlichsten Strukturen zählte der Moabiter RHD-Kreis um Ottilie Pohl und Rosa Lindemann, die bis in die 1940er Jahre Spenden sammelten und illegale Quartiere für Untergetauchte organisierten. Pohl blieb trotz einer Haftstrafe wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« weiter aktiv, bis sie Ende 1942 als Jüdin deportiert und ermordet wurde. Rosa Lindemann hingegen konnte einer Verhaftung entkommen und gemeinsam mit einigen GenossInnen die Hilfe für die Verfolgten weiterführen.

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