Geheimdienst darf Hans-Litten-Archiv nicht mehr als „extremistische Gruppierung“ bezeichnen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nicht mehr behaupten, dass das Hans-Litten-Archiv e.V. eine „extremistische Gruppierung“ sei, „die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“.
Das stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 4. November 2020 fest. Das Bundesministerium des Inneren wird „im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Verfassungsschutzbericht 2018 in digitaler, schriftlicher oder sonstiger Form mit der Maßgabe zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dass der Antragsteller im Registeranhang nicht selbst als extremistische Gruppierung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aufgeführt wird, sondern als Unterstützer einer solchen Gruppierung“. Obwohl das Hans-Litten-Archiv ein eigenständiger und als gemeinnützig anerkannter Verein ist, sieht es das Gericht weiterhin als erwiesen an, dass Verein zur Struktur der Roten Hilfe gehört und diese als vermeintlich extremistische Gruppierung unterstützt.
Die Nennung des Hans-Litten-Archivs e.V. im Verfassungsschutzbericht geht noch auf die letzten Amtswochen des aufgrund seiner Verharmlosung neofaschistischer Umtriebe für die Bundesregierung untragbar gewordenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen im Jahr 2018 zurück. Da eine solche Nennung die wissenschaftliche Kooperation mit anderen Institutionen wie Universitäten gefährdet, hatte das Hans-Litten-Archiv vertreten durch seinen Anwalt Peer Stolle vor Gericht geklagt und jetzt teilweise Recht bekommen.
„Wir bewerten den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts als wichtigen Teilerfolg im Kampf gegen den Verfassungsschutz als Zensor zivilgesellschaftlichen Engagements“, erklärt Dr. Nikolaus Brauns, der Vorsitzende des Hans-Litten-Archivs e.V.. Der Historiker weiter:
„Unser Archivverein sieht sich in seinem Eintreten gegen staatliches Unrecht seinem Namensgeber, dem von Hitler in den Tod getriebenen `Anwalt des Proletariats´ Hans Litten, verpflichtet. Daher haben wir uns mit den Mitteln des Rechts gegen die Diffamierung unseres Vereins zur Wehr gesetzt. Dass der Geheimdienst wenigstens eine kleine Schlappe erlitten hat, erfüllt uns mit Genugtuung“.
Das Hans-Litten-Archiv wurde 2005 in Göttingen gegründet. Es sammelt Dokumente zur Geschichte der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterinnen –und Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen. In diesem Rahmen befassen sich der Archivverein und seine Mitglieder auch wissenschaftlich mit den verschiedenen Rote-Hilfe-Vereinigungen der letzten 100 Jahre sowie verwandten Themen wie Klassenjustiz, Repression gegen Linke und dem Schicksal politischer Gefangener. Veröffentlichungen von Archivmitgliedern behandelten unter anderem die Widerstandstätigkeit von Roten Helferinnen und Helfern unter dem NS-Regime sowie die Neugründungen von Rote Hilfe Gruppierungen im Gefolge der Außerparlamentarischen Opposition nach 1968.
vgl. Tageszeitung junge Welt vom 11.11.2020: