Fundstück des Monats
Die materielle Hilfe für die politischen Gefangenen und ihre Familien gehörte zu den zentralen
Aufgabenbereichen der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) in der Weimarer Republik.
Aushängeschilder der Familienhilfe waren die beiden Kinderheime Barkenhoff in Worpswede nahe
Bremen und im thüringischen Elgersburg, in denen sich die Kinder politischer Gefangener für
mehrere Monate erholen konnten. Bei vielen Öffentlichkeitskampagnen und Spendenaufrufen
standen diese beiden Einrichtungen im Mittelpunkt und verschafften der RHD-Arbeit breite
Sympathien auch in bürgerlichen Kreisen. Für die Unterstützer*innen waren die Kinderheime „Rote
Hilfe zum Anfassen“ und zogen bei öffentlichen Veranstaltungen und an Besuchstagen regelmäßig
zahlreiche Besucher*innen an.
Um den Ortsgruppen die Öffentlichkeitsarbeit zu erleichtern, erstellte der Zentralvorstand ab 1926
die Reihe „Rote Bühne“, die Szenen für Agitprop-Theater-Aufführungen oder Veranstaltungsskripte
enthielten. In der 5. Ausgabe erschien der Begleittext zum Diavortrag „Die Kinderheime
Barkenhoff u. Elgersburg der Roten Hilfe Deutschlands“ (LINK:
https://hans-litten-archiv.de/archiv/archiv-2/84-die-kinderheime-elgersburg-und-barkenhoff-rote-
buehne-5). Nach einer kurzen Einführung zur Repression gegen die Eltern gehen die 99 gezeigten
Fotos und Gemälde auf den Alltag in den beiden Kinderheimen ein und schließen mit dem Appell
„Hinein in die Rote Hilfe!“ Auf dem Deckblatt war unten ein kleiner „Kontrollstreifen“, der
abgerissen werden konnte, falls die Ortsgruppen die recht kostengünstigen Hefte als Eintrittskarten
benutzen wollten.
Die Lichtbildervorträge stellten die Ortsgruppen vor hohe technische und finanzielle
Herausforderungen. Die zum Vortrag gehörenden Bildstreifen wurden Anfang November 1927 an
die Bezirke verschickt, um bei den beginnenden Winterhilfesammlungen verwendet werden zu
können. In seinem Rundschreiben vom 4.11.1927 erinnerte der Zentralvorstand an die hohen
Kosten und forderte die Bezirksvorstände auf, „den Betrag von M 60,- für den Vortrag sofort an den
Zentralvorstand einzusenden, (…) da wir bei Fertigstellung des Vortrages sofort bezahlen mußten“
(StAB 4,65 – 474). Um Diavorträge zeigen zu können, die eine sehr moderne und ansprechende
Form der Informationsvermittlung darstellten, hatten sich viele Bezirke und große Ortsgruppen
teure Projektoren angeschafft, die allerdings sehr sperrig waren. Im selben Rundschreiben empfahl
die Berliner Reichsleitung deshalb neue Apparate für 200 RM, die mit Koffer nur 4,6 Kilo wogen
und deshalb auch für Veranstaltungen in weiter entfernt liegenden Ortsgruppen geeignet waren.
Wie rege die Vortragsmaterialien schon in den ersten Wochen genutzt wurden, zeigen die Berichte
aus den Bezirken, die im Januar 1928 im „Roten Helfer“ erschienen. Unter anderem wurden die
Dia-Veranstaltungen in Berlin-Brandenburg bei den Mitgliederversammlungen verwendet, um die
Motivation für die Sammlungen zu erhöhen, und im Bezirk Niederrhein „fanden noch etliche
Lichtbilder-Vorträge über die Kinderheime der Roten Hilfe statt, um auf diesem Wege der Agitation
den Gedanken der Solidarität in die Massen zu tragen.“ (Roter Helfer 1/28 S. 16).
Am Abend des 25. Januar 1933, wenige Tage vor der Machtübergabe an Adolf Hitler, verübte die sächsische Polizei bei einer Veranstaltung des Kampfbunds gegen den Faschismus (KgdF) im Dresdner Keglerheim ein Blutbad. Nachdem ein Redner zum kämpferischen Widerstand gegen die erstarkende NS-Bewegung aufgerufen hatte, räumte die Polizei den Saal auf mörderische Weise und gab 80 Schüsse in die Menge ab. Neun Teilnehmer wurden getötet, viele weitere Menschen teils schwer verletzt.
Die Rote Hilfe Deutschland (RHD) beteiligte sich maßgeblich an der folgenden Protestkampagne. Sie setzte einen eigenen Untersuchungsausschuss ein, der aber seine Ergebnisse nicht mehr öffentlich bekanntgeben durfte: Die Versammlung am 12. Februar 1933, bei der unter anderem Augenzeug*innen über die tödlichen Schüsse berichten sollten, wurde von den Behörden untersagt. Dagegen protestierte der RHD-Unterbezirk Dresden mit diesem Flugblatt, das nochmals den brutalen Polizeieinsatz und die folgenden Proteste schildert und aus der Verbotsverfügung gegen die Kundgebung zitiert.
Außerdem veröffentlichte der Zentralvorstand der RHD die Broschüre „Das Blutbad in Dresden“, eine Sondernummer der Zeitung „Tribunal“ sowie verschiedene Flugblätter in Millionenauflage, darunter das Flugblatt „Schwarzer Mittwoch in Dresden“. Es nennt die Namen der Ermordeten mit einem nur knappen Hinweis auf den eigentlichen Vorfall, der allgemein bekannt war, und ist in erster Linie ein Beitrittsformular. Die RHD versuchte mit diesem Flugblatt, am Vorabend des NS-Faschismus weitere Mitglieder zu werben.