Artikel aus der Rote Hilfe Zeitung (RHZ)
„An der Spitze der Bezirke ...“
Die illegale Rote Hilfe Deutschlands in der Hauptstadt
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Der Bezirk Berlin-Brandenburg, der
zeitweise auch Pommern umfasste,
war stets eine der stärksten Gliede-
rungen der Roten Hilfe Deutschlands
(RHD) und hatte im Sommer 1932 mit
95.021 Individualmitgliedern in 477
Ortsgruppen und hunderttausenden
BeitragszahlerInnen in Kollektivmit-
gliedschaften den Spitzenplatz inne.
Eine Eigenheit waren sicherlich die
extremen Unterschiede zwischen der
Metropole Berlin, die neben äußerst
aktiven Basisstrukturen auch den Sitz
des RHD-Zentralvorstands aufwies,
und den Ortsgruppen in den länd-
lichen Gebieten Brandenburgs und
Pommerns, die gegenüber der Haupt-
stadt in den Hintergrund gerieten.
„Im Saargebiet sind nach den Berichten von Johann etwa 20 Ortsgruppen intakt“
Die RHD Saargebiet in der Illegalität ab 1935
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Durch den Sonderstatus des Saarge-
biets, das bis Anfang 1935 unter dem
Mandat des Völkerbunds stand, waren
die Nazis hier noch nicht ab 1933
an der Macht, weshalb die Region
nicht nur zu einem Fluchtziel vieler
politisch Verfolgter, sondern auch zur
Drehscheibe des Widerstands wur-
de. Von hier aus unterstützten alle
antifaschistischen Organisationen,
darunter auch die Rote Hilfe Deutsch-
lands (RHD), die illegalen Gruppen
im Reichsgebiet organisatorisch, fi-
nanziell und mit eingeschmuggelten
Druckschriften. Für die RHD im Saar-
gebiet bildeten zudem die materielle
Hilfe für die EmigrantInnen sowie die
Aufklärungsarbeit über den NS-Terror
zentrale Aufgaben.
Die Rote Hilfe im Saargebiet 1933/1934
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Vor 1933 spielte der kleine Bezirk
Saargebiet eher eine Nebenrolle in
der Roten Hilfe Deutschlands (RHD).
In dieser spät industrialisierten und
katholisch geprägten Bergbauregion
war die ArbeiterInnenbewegung erst
verzögert entstanden, und zudem präg-
ten nationalistische Töne die politi-
sche Debatte, seit das Saarland gemäß
des Versailler Friedensvertrags unter
Völkerbundmandat mit französischer
Führung gestellt worden war. Da auch
die SPD erst im 20. Jahrhundert Fuß
gefasst hatte und die gewaltige Zahl
der Arbeitslosen eher mit den Kommu-
nistInnen sympathisierte, erlebte die
KPD einen enormen Aufschwung und
stellte ab 1928 die zweitstärkste Frak-
tion im Landesrat, übertroffen nur von
der katholischen Zentrumspartei.
„Seit Beginn des Jahres 34 waren mit (...) erschreckender Regelmäßigkeit Verhaftungen von ZV-Mitgliedern ( ) erfolgt“1 – Der Berliner Zentralvorstand in der Illegalität ab 1933
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Als 1929 nach dem „Berliner Blut-
mai“ – einem mörderischen Polizei-
angriff auf die verbotenen 1.-Mai-
Demonstrationen mit dutzenden Toten
und hunderten Verletzten – der Rote
Frontkämpferbund (RFB) verboten
wurde, folgten massive staatliche
Verfolgungen. Angesichts der zahl-
reichen Verhaftungen, Prozesse und
Verurteilungen von RFB-Mitgliedern,
für die die Rote Hilfe juristische und
finanzielle Unterstützung ebenso wie
Öffentlichkeitsarbeit leistete, musste
sich die KPD-nahe Bewegung wieder
stärker mit der Möglichkeit eines Ver-
bots befassen.
„... den Auftrag, die Rote Hilfe e.V. in Zwingenberg zu organisieren“ – Solidaritätsarbeit in den Landgemeinden der hessischen Bergstraße
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Selbst in kleinen Ortschaften und Dör- fern lebte vielerorts die praktische Unter- stützung durch die Rote Hilfe Deutsch- lands in der Illegalität ab 1933 fort. Auch hier misshandelten die Nazis ab März 1933 bekannte KommunistInnen und SozialistInnen und verschleppten sie in die Konzentrationslager, und überall standen solidarische GenossInnen den Familien zur Seite. Die mehr oder weni- ger koordinierte Direkthilfe mit kleinen Geldbeträgen und Lebensmitteln knüpfte zwar an den allseits bekannten Gedanken der RHD an, war aber in den meisten Fällen eher selbstverständlicher Beistand unter GenossInnen und FreundInnen als organisierter Widerstand.
„… äußerte nach seiner Entlassung aus der Schutzhaft, die ‚Rote Hilfe‘ habe tadellos funktioniert“
Die illegale Rote Hilfe Deutschlands in Speyer
von Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Nicht nur in den Metropolen, sondern
auch in vielen kleineren Städten gab
es in der Illegalität noch Strukturen
der Roten Hilfe Deutschlands (RHD),
die den Widerstand gegen den
Faschismus durch ihre Solidari-
tätsarbeit stärkten. Ein Beispiel
für die anhaltende Unterstützung,
die trotz wiederholter Repres-
sionsschläge sogar bis in die
Jahre des Zweiten Weltkriegs
organisiert wurde, bietet Speyer
mit damals etwa 28.000 Einwoh-
nerInnen.
„Ostsachsen-Lausitz stellt das bisher beste Beispiel dar“
Die illegale Solidaritätsarbeit der Ostsächsischen Einheitskomitees ab 1935
Von Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
In den ersten Jahren der Illegalität hatte
die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) ihre
sächsischen Hochburgen in einigen grö-
ßeren Städten, vor allem in Leipzig und
Plauen. Wiederholte Verhaftungswellen
schwächten die zentral ausgerichtete
Organisation, so dass sich Mitte der
1930er Jahre die Formen und regiona-
len Schwerpunkte der Solidaritätsarbeit
veränderten.
„… besteht in Leipzig eine RH- Organisation von ca. 800 Mitgliedern“
Die Rote Hilfe Deutschlands in Sachsen im antifaschistischen Widerstand
von Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Auch in der Geschichtswissenschaft
ist kaum bekannt, dass Sachsen seit
der Gründung der Solidaritätsorga-
nisation eine reichsweite Hochburg
darstellte. Die zahlreichen Rote-
Hilfe-Komitees der Anfangszeit waren
1922 in drei Regionen gegliedert:
Während der Dresdner Oswald Franz
Gross das Bezirkskomitee Ostsachsen
leitete, koordinierte Wilhelm Firl von
Chemnitz aus die RH-Arbeit im Raum
Erzgebirge-Vogtland. Der Bereich
Leipzig-Westsachsen unterstand Paul
Friedrich. Als die Rote Hilfe Deutsch-
lands (RHD) 1924 als Mitgliederor-
ganisation gegründet wurde, wurden
die drei Einheiten zum Gesamtbezirk
Sachsen zusammengefasst. Im Jahr
1925 übertraf er mit 17.850 Bei-
tragszahler_innen in 288 Ortsgruppen
alle anderen Regionen. Auch wenn
1926 Berlin-Brandenburg zum mit-
gliederstärksten Bezirk aufstieg, blieb
Sachsen weiterhin Spitzenreiter bei
der Anzahl der lokalen Strukturen und
hatte dauerhaft die zweithöchste Zahl
von Individualmitgliedern. Abgesehen
von einem kurzen Einbruch um 1929,
der die reichsweite Entwicklung wi-
derspiegelte, setzte sich das Wachs-
tum kontinuierlich fort: im Herbst
1932 waren schließlich 58.437 Rote
Helfer_innen in 586 sächsischen Orts-
gruppen erfasst.
„… ein Beispiel für alle Kämpfer zu ge- ben, dass die proletarische Solidarität für die Angehörigen der Hingerichteten sorgt.“
Die illegale Rote Hilfe Deutschlands im Bezirk Niederrhein ab 1933
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Bereits in der Entstehungszeit der Rote-Hilfe-Arbeit gab es am Niederrhein flächendeckend Solidaritätsausschüsse, wobei das übergeordnete Bezirkskomitee Rheinland-Westfalen Süd unter Fridolin Leutner schon 1922 in Düsseldorf an- gesiedelt war. Die 1924 als Mitglie-
1
derorganisation gegründete Rote Hilfe Deutschlands (RHD) wuchs auch hier sehr schnell: von 9.300 BeitragszahlerInnen in 77 Ortsgruppen im Jahr 1925 stiegen die Zahlen des Bezirks Niederrhein in zwölf Monaten auf 13.047 Mitglieder in 90 lokalen Strukturen an. Nach dem reichs- weiten Aufschwung Anfang der 1930er Jahre waren im Herbst 1932 schließlich 21.345 Rote HelferInnen in 196 Orts- gruppen erfasst.
„Eine der wichtigsten Aufgaben zur Stärkung des antifaschistischen Kampfes“
Die Rote Hilfe Deutschlands in Hessen-Frankfurt in der Illegalität ab 1933
Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Schon seit der Entstehung der Rote-
Hilfe-Komitees 1921 war von Frank-
furt/Main aus die Solidaritätsarbeit im
Süden Hessens koordiniert worden,
damals mit der KPD-Aktivistin Cäcilie
Aumann an der Spitze.